| "Die wirtschaftliche Entwicklung von Oberpleis Wir leben heute in einer noch nie da gewesenen Hochkonjunktur. An die Stelle der Arbeitslosigkeit früherer Jahre ist Vollbeschäftigung und ein akuter Mangel an Arbeitskräften getreten. Die Folge ist, daß heute über 1.000.000 Fremdarbeiter in der Bundesrepublik beschäftigt werden.
Die heutige jüngere Generation hat die Jahre der Arbeitslosigkeit nicht gekannt. Sie ist in die heutige Wirtschaftslage hineingewachsen, ohne sich zu fragen, wie es zu dieser Entwicklung kam und wie unsere Vorfahren gelebt und gearbeitet haben. Es lohnt sich, einmal einen Blick in die Vergangenheit zu tun. Einiges ist uns überliefert. Das Schrifttum und insbesondere das Archiv der Amtsverwaltung geben uns Aufschlüsse, wie es zur heutigen wirtschaftlichen Lage gekommen ist.
Tatsache ist, daß Landwirtschaft und Handwerk seit Jahrhunderten die einzigen Erwerbsquellen unserer Vorfahren waren. Von industriellen Erwerbszweigen kann aus der Zeit vor 1800 nicht gesprochen werden. Wohl wissen wir, daß unsere Tonvorkommen schon früh ausgebeutet worden sind. Schon im 14. Jahrhundert wird der Ton unserer Gemeinde im Zusammenhang mit der Siegburger Töpfergilde urkundlich erwähnt. In den Jahren 1817 und 1818 wurde in Uthweiler Ton gestochen. Die Tone wurden damals mit Pferdefuhrwerken nach Mülheim am Rhein gebracht und weiter mit Schiffen nach den Niederlanden verfrachtet.
Bereits zwischen 1750 und 1780 hat man bei Uthweiler Braunkohle gefördert. Überhaupt scheint die Nachbargemeinde Stieldorf reich an Braunkohle gewesen zu sein. Vorkommen in Bockeroth, Vinxel und Hoholz werden schon früh erwähnt. In Bockeroth muß das Vorkommen besonders ergiebig gewesen sein, denn zwischen 1840 und 1850 wurden dort in einer Grube 40 Arbeiter beschäftigt.
Aus den Standesregistern ist zu ersehen, daß der größte Teil der Einwohner damals von der Landwirtschaft lebte. Wir finden immer wieder die Berufsbezeichnungen Ackerer und Tagelöhner. Unter Tagelöhnern wurden vielfach diejenigen Arbeiter verstanden, die gegen Tagelohn in der Landwirtschaft arbeiteten. Die Viehzählungen aus jener Zeit beweisen, daß Pferde selten waren. Als Zugtiere wurden Ochsen und Kühe benutzt. Landwirtschaftliche Maschinen waren unbekannt.
Im Jahre 1837 wurden über hundert selbstständige Handwerksbetriebe in der Gemeinde Oberpleis gezählt, hauptsächlich Leineweber, Schuhmacher und Schneider, die für den Bedarf der einheimischen Bevölkerung sorgten. Um diese Zeit waren 70 Webstühle in Betrieb. Daneben gab es Küfer, Nagelschmiede, Blaufärber, Mühlenbauer und Gerber. Viele dieser Handwerksbetriebe fielen der fortschreitenden technischen Entwicklung zum Opfer. Nach dem Kriege 1870/71 waren nur noch zwei Webstühle in Betrieb.
Die Zahl der Arbeitsplätze wurde mit dem Anwachsen der Bevölkerung zu klein. Die Akten der Amtsverwaltung geben uns ein Bild der damaligen Wirtschaftslage. In den Jahren 1850 bis 1860 gab es zahlreiche Arbeitslose im Amtsbezirk. Die Folge war, daß in den Wintermonaten mancher Familienvater ins Ruhrgebiet ging, um dort in den Kohlegruben lohnenden Verdienst zu finden. Infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse wanderten viele Familien nach Nordamerika aus.
Die industrielle Entwicklung setzte in unserer Gemeinde verhältnismäßig spät ein. Ursache scheinen die schlechten Wege und Straßen gewesen zu sein. Der Bau der Niederdollendorf-Kircheiper Straße, wie auch der Pleistalstraße in den Jahren 1853-1856 bzw. 1866/67 schufen die Voraussetzungen für die spätere wirtschaftliche Erschließung des Pleistales. Unsere Heimat ist überaus reich an Bodenschätzen. Um 1860 wird zuerst ein Basaltsteinbruch erwähnt. Wahrscheinlich war dies der Limperichsberg. Die industrielle Entwicklung begann nach dem Kriege 1870/71. Zahlreiche Basaltsteinbrüche, Ton- und Quarzitgruben wurden erschlossen. Fast in jeder Gemarkung und in jeder Flur fand man abbauwürdige Bodenschätze.
Für manchen Oberpleiser wird das nebenstehende Bild beschauliche Stunden der guten alten Zeit wieder wachrufen. Es zeigt den Oberpleiser Ortseingang von Siegburg kommend. Links ist der kleine Bahnhof der Rhein-Sieg Eisenbahn zu erkennen. Hier hielt der „Feurige Elias", wie man die Kleinbahn (Siegburg-Rostingen) im Volksmund nannte, eine kurze Verschnaufpause ehe sie ihre Fahrt die leicht bergan steigende Strecke nach Rostingen bei Eudenbach fortsetzte. Die großen Lindenbäume rechts und links Straße spendeten dem Wanderer kühlen Schatten. Nur vereinzelt fuhren damals Autos durch Oberpeis; Pferdefuhrwerke und Fahrräder waren die „Kapitäne" der Landstraße. Ja, das waren noch Zeiten. | Wichtiger Wirtschaftsfaktor wurden auch die Baumschulen.

Die Erste Baumschule wurde im Jahre 1872 in Jüngsfeld gegründet, die weit über die Grenzen unserer Heimat hinaus bekannt geworden ist. Die Jüngsfelder Baumschulen waren die Urzelle, aus der sich die heutigen 30 Baumschulbetriebe größtenteils entwickelt und den Ostabhang des Oelberges zu einem Obst- und Baumschulgebiet geformt haben. In Bennerscheid und Sandscheid wurde auch nach Erzen geschürft, wobei die Sandscheider Grube wegen ihres Zustandes einen traurigen Ruf als 'Grube Elend' erwarb. Wie viele Handwerksbetriebe der industriellen Entwicklung zum Opfer fielen, mußten auch manche Industrien ihren Betrieb einstellen, weil sie nicht konkurrenzfähig waren oder die Rohstoffe fehlten. Es sei erinnert an die Dachziegelei Gast in Boseroth, die Braunkohlengrube in Stieldorferhohn, die noch nach dem ersten Weltkrieg Braunkohle lieferte und die zahlreichen Basaltsteinbrüche wie: Limperichsberg, Scharfenberg, Steinrinqerberg, Kleiner Oelberg, Stüss, Pleiserhohn und die Hardt in Uthweiler. Auch mußten verschiedene Tongruben aus diesen Gründen stillgelegt werden. Die Steinbrüche im Siebengebirge wurden aus Gründen des Naturschutzes eingestellt. Durch die zahlreichen Stilllegungen gingen in diesen Jahren viele Arbeitsplätze verloren. Heute kennen wir nur noch die Basaltsteinbrüche am Hühnerberg und Eudenberg. Die Quarzitförderung ist ganz eingestellt.
Zwischen den beiden Weltkriegen und auch nach dem letzten Krieg sind in unserer Gemeinde neue Industrien entstanden. Zu erwähnen sind die wichtigsten Betriebe: Franz Weiner, Reinhard Raffel, Druckerei Anton Uelpenich und die Möbelfabrik H. Brune, alle in Oberpleis. Hier finden Familienväter lohnenden Verdienst. Die einheimischen Arbeitsplätze reichen jedoch nicht aus, sodaß viele Arbeiter in den Nachbargemeinden beschäftigt sind. Darum ist es Aufgabe der Gemeinde, durch Heranziehung weiterer Industriebetriebe neue Arbeitsplätze zu schaffen, damit sie durch das erwartete Steueraufkommen Ihre Aufgaben erfüllen kann."
| Bild von 1910 | Textformatierung und Bildbearbeitung: Franz Bellinghausen | Quelle: Siebengebirgs-Zeitung Nr. 6 vom 05.02.1965; Bericht: Heinz Wicharz | Zur Verfügung gestellt von Irmhild Lissek: Foto 1/Postkarte; Lothar Dahs: Foto 2; Paul Winterscheidt: Scan - Bericht | |
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