"Bis zum 1. September 1918 dauerte das Reifmachen für die Westfront, dann war morgens Abmarsch … Am 24. September wurden wir abgelöst und kamen nach Rixingen* in Ruhe. Bis zum 4. Oktober musste das ganze Gebiet hinter der Front von der Zivilbevölkerung geräumt werden. Von unserer Seite aus wurde ein großzügiges Unternehmen geplant, zur Ausführung ist es aber nicht mehr gekommen. Von französischer Seite setzte eine lebhafte Fliegertätigkeit ein, hin und wieder gab es Bomben. Am 10. Oktober lösten wir das 2. Bataillon in Stellung ab. Ich wurde mit noch drei Mann der 1. Kompanie zugeteilt und besetzte Blinkstation Erpel im Walde bei Amenoncourt. Am 12. Oktober machten wir nachts ein größeres Stoßtrupp-Unternehmen ohne Artillerie-Vorbereitung. ... Am 20. Oktober war auf meiner Blinkstation dicke Luft. Feindliche Flieger warfen Flugblätter ab. Sie versuchten, uns auf diese Art mürbe zu kriegen. ...
An verschiedenen Stellen der Westfront sah es um diese Zeit böse aus. Die Verbündeten versuchten, im Verein mit frischen amerikanischen Truppen mit aller Gewalt unsere Front zu durchbrechen. Es waren alles ausgeruhte Truppen, und sie waren in achtfacher Übermacht. Unsere abgekämpften Frontsoldaten hatten dagegen einen schweren Stand.
Da ging die Parole rund, Ludendorff hätte abgedankt, in der Heimat sei die Revolution ausgebrochen, und in unserem Nachbar-Regiment seien Soldatenräte gebildet worden. Die ganze Nacht durch tobte der Artilleriekampf, es war das letzte Revanchieren unserer Artillerie. Wir gingen abends zur Soldatenrats-Sitzung in der Kirche zu Rixingen. Am folgenden Tage, es war der 11. November, wurde morgens bekanntgegeben, ab 11.55 Uhr sei Waffenstillstand. Um diese Zeit saß ich auf dem Kirchturm von Deutsch-Avricourt** und blies auf meinem Signalhorn 'das ganze Halt' nach allen vier Winden. Wenn auch die Waffenstillstandsbedingungen keine günstigen waren, so freute sich doch ein jeder, dass das Morden ein Ende hatte und dass es uns vergönnt war, die Heimat nochmal wiederzusehen. Aus Freude über den Schluss des Weltkrieges wurden sämtliche Handgranaten verworfen, und die ganze Leuchtmunition wurde bei eintretender Dunkelheit verschossen. Die Front erstrahlte im herrlichen Feuerwerk. ...
Es war eine traurige Heimkehr vom Felde der Ehre. Den Tag, den ich mir tausendmal herbeigesehnt, hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Gegen eine Welt von Feinden waren wir auf allen Fronten siegreich gewesen und mussten zum Schluss doch noch der Übermacht uns beugen. Der Krieg war für Deutschland verloren ... Nach dem Waffenstillstand hatte sich der Kaiser nach Holland in Sicherheit gebracht, und in Deutschland herrschten trübselige Zustände. Mit all dem musste sich der heimkehrende Frontsoldat abfinden, und bei manchem hat es Jahre gedauert, bis er sich im zivilen Leben zurechtgefunden hatte. Die schönste Zeit des Lebens, die Jugendzeit, hatte ich in den Schützengräben der Ost- und Westfront verlebt, viele Straßen sind in den 4 Jahren marschiert worden, und viele schwere Tage und Nächte waren darunter. 44 Monate war ich bei der kämpfenden Truppe und habe meine Pflicht als Soldat getan bis zum Äußersten, und zweimal hatte ich mein Blut fürs Vaterland vergossen. Nun, wo das größte Ringen aller Zeiten zu Ende war, dankte ich dem Schöpfer, dass mir das Leben noch lachte.
Der Frontsoldat
Und fragt ihr nach dem größten Helden,
der unermesslich Schweres tat,
von dem noch fernste Zeiten melden:
Das war der deutsche Frontsoldat.
Vor dem, wie er gekämpft, gerungen
und eine Welt von Feinden zwang,
verblasst das Lied der Nibelungen
und Tejas letzter Waffengang.
Im Regen, Sturm und Todesdrohen,
verhungert einsam und verlacht,
in Hitze, Grau’n und Flammenlohen,
so hielt er stumm die deutsche Wacht.
Die halbe Welt hat er durchschritten,
die besten Freunde nahm der Tod.
Unsägliches hat er gelitten,
am Tisch der Seinen saß die Not.
Wohl keiner wird ja ganz ermessen,
was er für seine Heimat tat.
Drum nimmer, 'Deutschland', sei vergessen
der schlichte graue Frontsoldat."
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